September 2025 – Weiter geht es mit Teil 2 der Reise durch den Balkan. Als Gastautor nach wie vor mein Vater, David Tschudi. Viel Vergnügen!
Tag 9
Diesen Tag habe ich mir eingeplant für einen Ausflug nach Bansko. Bekannt ist diese Destination als der Wintersportort Bulgariens. Doch ich fahre nicht dorthin um für die nächsten Skiferien zu rekognoszieren. Vielmehr möchte ich mit der Rhodopenbahn eine besondere Landschaft erleben. Es ist die letzte in Betrieb befindliche Schmalspurstrecke (760 mm Spurweite) Bulgariens und führt durch beeindruckende Schluchten, dichte Wälder und malerische Dörfer.
| Sofia | ab | 06.35 Uhr |
| Septemvri | an ab | 08.42 Uhr 08.55 Uhr |
| Bansko | an ab | 13.03 Uhr 14.39 Uhr |
| Septemvri | an ab | 19.02 Uhr 20.34 Uhr |
| Sofia | an | 22.42 Uhr |
Bei strahlend blauem Himmel starte ich um 6.35 Uhr am Gara Nord von Sofia. Habe einen reservierten Platz. Heute scheint das nicht so wichtig zu sein, die Passagiere sitzen wo sie gerade wollen. Wie auch in Serbien ist das Schienennetz in Bulgarien schlecht unterhalten und so „hötterlen“ wir Septemvri entgegen. Hier steht das Züglein mit seinen fünf Wagen bereit und ich finde einen Fensterplatz. Allerdings sind die Fenster nicht allzu sauber. Für klare Fotos keine gute Voraussetzung. Bei offenem Fenster zu fotografieren wage ich nicht recht. Der Zug rüttelt und ruckt so fest, dass die Gefahr besteht das Handy zu verlieren. In diese Situation möchte ich mich nicht manövrieren. Ziemlich zügig schlängelt sich der Schmalspurzug durch felsige Täler und viel Wald bis zur ersten Hochebene bei Velingrad. Bei der Planung hätte ich eigentlich hier den Halt für die Rückfahrt setzen sollen. Es ist eine grössere Stadt mit Hotels, Restaurants und sogar einem Freibad. Denn Bansko ist für mich eine Enttäuschung. Skipisten kann ich von weitem sehen. In Bahnhofsnähe kein Restaurant. Im Bahnhofs-Bistro gibt es nur Getränke und Snacks im Sack. Schlage mir die knapp zwei Stunden auf unbequemen Sitzgelegenheiten tot. Hoffe, dass ich bei der Rückfahrt in Septemvri etwas Warmes zu Essen kriege.

Auf der Hin- und Rückfahrt begleitet mich der gleiche noch junge Schaffner. Er macht mich aufmerksam auf Bienenstöcke deren Bienen einen besonderen Honig produzieren würden. Ich frage mich: „Welche tun das nicht?“. Unterwegs begrüsst er einen Zigeuner mit seinem kleinen Sohn. Nachdem die zwei den Zug wieder verlassen haben, erklärt er mir, dass er diese, um Komplikationen zu vermeiden, hin und wieder gratis mitreisen lasse.
In Septemvri hätte ich 1½ Stunden Zeit für ein Nachtessen, aber: Bistro dauerhaft geschlossen und kein Restaurant in Sicht weit und breit. Hungere mich durch und hoffe, am Bahnhof in Sofia ein Sandwich zu ergattern. Kurz vor 23 Uhr geht dieser Wunsch dann noch in Erfüllung. Ein langer und zum Teil sehr abwechslungsreicher Tag geht zu Ende. Definitiv, kulinarisch musste ich leiden.
Tag 10
| Sofia | ab | 06.50 Uhr |
| Sofia Sever | an ab | 06.55 Uhr 07.06 Uhr |
| Bucuresti Nord Gara | an | 17.32 Uhr (23.50 Uhr) |
Packe meinen Rucksack und werfe meinen Zimmerschlüssel in den Briefkasten. Um 6.50 Uhr bringt mich ein Vorortszug bis nach Sofia Sever. Dieser ist rappelvoll. Umsteigen nur für sehr bewegliche Leute: niedrige Perrons und Querung über Gleise ohne Übergang. Die völlig besprayten Wagen wirken nicht gerade einladend und sind zudem schlecht angeschrieben. Dies ist mit ein Grund, warum ich auch in einem nicht für mich vorgesehenen Wagen lande. Ein freundlicher junger Mann klärt mich darüber auf, dass dieser Zug unterwegs gesplittet werde und ich daher meinen Sitz verlegen müsse. Er werde mich dann frühzeitig daran erinnern, sagt er mir in gutem Englisch. Auch heute fahren wir sehr gemächlich auf dem bulgarischen Schienennetz. Wie angekündigt kommt der Hinweis meines Mitreisenden, dass es nun Zeit wäre den Wagen zu wechseln. Habe gelernt, Sitzplatzreservierung kann man (meistens) ignorieren. Wagenwechsel vollzogen. Unterwegs steigt ein älterer Mann zu und er fragt, ob er sich in mein Abteil setzen dürfe. In stockendem Deutsch erzählt er mir von seiner ehemaligen Arbeit als Klimaingenieur. Auch heute verfasse er hin und wieder noch ein Gutachten. Sein Sohn sei ausgewandert und lebe mit seiner Familie in Kanada. Leider sehe er ihn und seine Familie nicht jedes Jahr. Traurig.
Momentan fahren wir im Zeitplan. Für meine Unterkunft in Bukarest muss ich noch Self-Check-in erledigen. Plan: 17.30 Uhr Ankunft Bukarest, WLAN in Bistro und erledigen. Plan zerschlägt sich total. Halt in Ruse (Grenzstation BG). Wir stehen still und langsam sickern Informationen durch, dass wir auf einen Wagen aus Istanbul warten müssen. Es ist 13 Uhr. Warten bis 15 Uhr, dann 16 Uhr, 17 Uhr. Schlussendlich wird es 17.30 Uhr, die Check-in-Zeit in Bukarest und ich weit davon entfernt. Muss unbedingt ein Lokal finden, wo ich mich einloggen und meinen Check-in online erledigen kann. Rund 300 Meter entfernt vom Bahnhof finde ich ein solches. Einem jungen Mann kann ich mein Problem schildern. Kein Problem, Laptop auf, WLAN-Code rein und schon kann ich meine Zugangsdaten (Codes für Haus- und Zimmertüre) abholen. Kaufe noch Getränke und will mich mit einem guten Trinkgeld bedanken. Wird nicht angenommen. Wünscht mir eine gute Weiterreise und merkt an, dass Ruse für einen Besuch eine sehr schöne Stadt wäre. Eine weitere sehr freundliche Begegnung mit Menschen in Bulgarien.
Die Reisenden unseres Wagens sind international: England, Frankreich, Deutschland und Australien. Der Mann eines englischen Ehepaars stellt sich als richtiger Railfan heraus. Es werden Geschichten erzählt und Erfahrungen ausgetauscht. Allgemein wird Situation locker aufgenommen. Muss man, wenn man so reist. Ein Hurra und Klatschen geht durch den Wagen, als sich der Zug um 17.30 Uhr in Bewegung setzt. Also mit 4-stündiger Verspätung. Überwältigend die Abendstimmung bei der Überquerung der Brücke über die silbern glänzende Donau. So kann es weitergehen.




Ankunft im Grenzbahnhof Giurgiu (Rumänien). Der Halt dehnt sich aus und unser englischer Rail-Spezialist hat in Erfahrung gebracht, dass wir wegen eines Feuers (Weizenfelder) nicht weiterfahren können. Wahrscheinlich ausgelöst durch diese Nachricht fängt eine französische Mitreisende bitterlich an zu weinen. Eine Australierin und das englische Ehepaar kümmern sich um sie und der Weinkrampf legt sich wieder. Nach einer guten Stunde taucht ein Polizist auf, ruft alle Interessierten zusammen und erklärt uns in gutem Englisch die Situation. Leider eher negativ, da er nicht wisse wann die Strecke frei gegeben werde. Dann, ein zweiter Polizist mit einer gerade eingetroffenen Meldung, dass wir in 40 Minuten unsere Fahrt fortsetzen können. Für zwei deutsche Jungs die Gelegenheit in dieser Zeit auf dem Gasbrenner eine Pasta zu kochen. Doch diese wird nicht gar – der Gasbehälter ist vorher leer.
Tatsächlich: nach rund zwei Stunden Aufenthalt hier in Giurgiu geht die Reise weiter. Schon bald nehme ich Brandgeruch wahr. Wir sehen auch noch einzelne Feuer. Ohne weitere Komplikationen erreichen wir kurz vor Mitternacht Bukarest Gara Nord. Ein freundlicher Taxifahrer nennt mir, ohne dass ich frage, den Preis für die Fahrt zu meiner Unterkunft. Mit 35 Lei (ca. 7 Franken) bin ich mehr als einverstanden und zudem möchte ich unbedingt mein Gepäck abladen und dann ins Bett. Tolle Unterkunft im „Downtown Victoria Apartments“ 5. Stock mit Lift. Auch hier top Klimaanlage und alles sehr sauber.
Tag 11
Heute habe ich etwas ausgeschlafen. Die Gegend um meine Unterkunft ist sehr ruhig. Auf dem Dachvorsprung gegenüber meiner Terrasse begrüsst mich eine Taube. Von den in der Küche bereitliegenden Kapseln mache ich mir einen Kaffee. Es wird halt ein Americano, da im Kühlschrank kein Rahm zu finden ist. Gegen Mittag verlasse ich meine kühle Unterkunft und draussen empfängt mich heisses Sommerwetter. Hier in Bukarest eine Verpflegungsmöglichkeit zu finden ist nicht schwierig. Natürlich achte ich darauf, dass ich mich im Schatten aufhalten kann.

Auf meinen Reisen besuche ich hin und wieder einen Coiffeur. Meistens sind es besondere Erlebnisse. Meine Haare könnten einen Schnitt vertragen und so suche ich in der Nähe meiner Unterkunft einen barbiere. Diesen finde ich auch und ich bekomme einen Termin um 19 Uhr. Nicht der Chef persönlich bedient mich. Sein „Gehilfe“ hat am Anfang etwas Mühe mit meiner, für diese Gegend, Langhaarfrisur, umzugehen. Er rasiert, schnipselt, strählt und zwischendurch interveniert sein Vorgesetzter mit den nötigen Anweisungen. Nach einer Stunde ist es so weit, wir können die Sitzung mit einem Selfie abschliessen.
Tag 12
Ganz im Fokus steht heute der Besuch des Parlamentspalastes „Palast des Volkes“. Den Fussweg dorthin habe ich mir gut gemerkt; wird doch gewarnt, dass, wer nicht kilometerweit um den Koloss wandern möchte, sich den einzigen Eingang gut merken solle. Da es gegen Mittag schon wieder gegen die 30 Grad heiss ist, versuche ich auf dem Weg dorthin jeweils die Schattenseite der Strassen zu nutzen. Überwältigt von der Grösse des Gebäudes stehe ich nun davor. Beim Infoschalter erfahre ich, dass um 12 Uhr eine nächste Führung starten wird. Dies in englischer Sprache. Deutsch wird zurzeit nicht angeboten. Im Souvenirladen muss ich mir nach ein Ticket kaufen. Bevor uns die Führerin mit „Wonderful people“ begrüssen kann, werden noch unsere Ausweise auf dem Scanner geprüft. Übrigens, diese Anrede benutzt die überaus kompetente Frau immer wieder, wenn sie zu Erklärungen ansetzt; und das passiert während dem rund einstündigen Rundgang ein paar Mal.



Ein paar Fakten: Mit insgesamt 450’000 m² nach dem Pentagon das zweitgrösste Gebäude (nicht höchste!) der Welt. 700 Architekten und 20’000 Arbeiter haben im Auftrag von Diktator Ceausescu fünf Jahre rund um die Uhr daran gearbeitet. Die mehr als 3’000 Zimmer, 60 Korridore und 64 Empfangssäle sind reich mit kitschigen Marmorreliefs verziert. Von den Decken hängen tonnenschwere Kristalllüster. Ein Besuch wert? Auf jeden Fall, obwohl wir laut Führerin nur mal gerade zwei Prozent des Gebäudes gesehen hätten. Mit einem letzten „Wonderful people“ werden wir in die nachmittägliche Hitze entlassen.

Ein Lokal das man in Bukarest gesehen und erlebt haben müsse, sei das „Caro’ cu bere“ mit seiner deutsch-englischen Neugotik mit Holzbalken und Glasscheiben. Das will ich mir anschauen. Bevor ich jedoch mein Ziel erreiche, erliege ich dem Angebot der Kellnerin eines anderen Restaurants, die mir ein vegetarisches Menu empfehlen kann. Wirklich auch hier wieder perfekte Wahl. Später mag ich nicht nochmals ein Lokal aufsuchen, also endet der Tag im kühlen Apartment.
Tag 13
Im Internet mache ich mich kundig für eine Hop on Hop off Bus-Tour. Bevor ich eine der Haltestellen aufsuche, mache ich einen Abstecher zum Bahnhof um das Ticket für den morgigen Transfer nach Timisoara zu kaufen. Oh, lange Schlangen vor den spärlich geöffneten Schaltern. Mühe mich daher an einem Automaten ab. Da kommt ein älterer Herr und erklärt mir, dass er um einen Schalter wisse, der nicht so gut frequentiert werde. Tatsächlich, im Handumdrehen habe ich mein Billett in 1. Klasse in der Hand. Für einen Kaffee mit Beilage bin ich den „netten“ Mann wieder los.
Dann mal los zur Stadtrundfahrt. Etwas länger muss ich an der Haltstelle warten. Diese befindet sich nahe einer Ampelanlage. Dabei beobachte ich einen einarmigen Bettler bei seiner Arbeit. Sobald die Autos bei Rot anhalten, schlängelt er sich geschickt den Autokolonnen entlang und seine Mühe wird doch hin und wieder entlohnt. Endlich kommt mein Bus. Auf dem offenen Deck finde ich noch einen freien Platz. Zum Glück habe ich mich am Morgen gut mit Sonnencreme eingerieben. Was sonst üblich, fehlt auf dieser Tour: Es werden keine Kopfhörer verteilt und auch kein Live-Kommentar wird angeboten. Schade.



Bei der Stadtrundfahrt ist mir aufgefallen, dass ganz in der Nähe meines Wohnquartiers ein Strassenfest stattfindet. Ein paar Stunden später, es ist Abend und ich schlendere durch eine kaum endend wollende Festmeile. Über mehr als einen Kilometer wurde eine vierspurige Strasse für den Verkehr gesperrt. Auf dieser befinden sich unzählige Food- und Getränkestände. Die Strasse führt durch einen grossen Park. Hier stehen Bänke, Tische und Stühle für die Festbesucher bereit. Kein Problem eine Sitzgelegenheit zu finden. Für mein Nachtessen ist gesorgt. Schwierig eine Wahl zu treffen. Auf einer grossen Bühne gibt es ein Konzert mit Balkan-Rock. Was auffällt ist die Sauberkeit. Kein überfüllter Abfallkorb. Kein Papier am Boden. Ständig sind Putzteams unterwegs.
Tag 14
Geniesse mit einem Kaffee (letzte Kapsel) den Ausblick von meiner Terrasse. Es ist Sonntag und von der Stadt sind kaum Geräusche zu hören.
Wieder Rucksack packen und gut schauen, dass nichts liegen bleibt (z. B. Ladekabel oder Universalstecker). Gerade will ich mir den Rucksack umhängen, da reisst mir ein Tragriemen. Hoffentlich hält der zweite noch durch sonst bin ich etwas aufgeschmissen. Nach vier Tagen in der Hauptstadt von Rumänien verlasse ich pünktlich um 10.43 Uhr den Bahnhof Richtung Timisoara.
| Bucuresti | ab | 10.43 Uhr |
| Timisoara | an | 21.53 Uhr (22.50 Uhr) |
Ich sitze in einem 5er-Abteil mit angenehmen Mitreisenden. Da die Klimaanlage noch nicht recht in Betrieb, ist es sehr warm. Aber genügend Stauraum und Platz für längere Beine. Während den ersten vier Stunden geht die Fahrt durch Weizenfelder soweit das Auge reicht. Da kommen mir unsere Äcker wie Gartenbeete vor. Es folgt ein Abschnitt der Donau entlang und das gemächliche Tempo des Interregio lässt einem Zeit die Aussicht zu geniessen. Es geht dann weiter über eine kleine Bergstrecke und kurz vor 23 Uhr erreichen wir Timisoara.
Über die App habe ich mich über den Weg vom Bahnhof zur Unterkunft „Fanea Residence“ erkundigt und diesen fotografisch auf dem Handy festgehalten. Den Weg finde ich fast problemlos. Aber oh Schreck – keine Reception und kein Code für die Eingangstür. Dank eines freundlichen Nachbarn komme ich über den Hinterhof in den Vorraum des Hotels. Gestern bekam ich wohl eine Nachricht, dass ich mich online anmelden könne; über ein Muss war nicht die Rede. Ins WLAN kann ich mich auch nicht einloggen (mangelndes Passwort) aber irgendwie schaffe ich es einen Verantwortlichen ans Telefon zu bekommen. Nach fünf Minuten ist er da und ich kann mein Zimmer beziehen. Alles blitzsauber und recht neu eingerichtet. Klimaanlage natürlich wie immer. Es war wieder ein langer Reisetag.
Tag 15
Lasse den Tag ruhig angehen. Als wohl beste Adresse für einen Kaffee wird in meinem Reiseführer das Lokal „Ovride Specialty Coffee“ (mit eigener Kaffeerösterei) empfohlen. Der Weg dorthin führt mich über eine längere Promenade dem Fluss Bega entlang. Dabei treffe ich auf Fischer die ihre Angeln in das etwas trübe Wasser halten, Leute die ihre Hunde Gassi führen und JoggerInnen die ihr tägliches Programm abspulen. Recht viele Bänke laden zum Verweilen ein. Ja, das Café erreiche ich und bekomme einen wirklich guten Cappuccino samt Pistazien-Croissant.


Zurück im Zimmer überlege ich mir, wie sich der Schlussteil meiner Reise gestalten könnte. Mal wollte ich in Wien noch Halt machen mit umsteigen in Budapest, da gibt es jedoch Baustellen mit Transfer zwischen zwei Bahnhöfen. Zusätzlich sind keine Tickets für Nacht- und auch einzelne Tages-Railjets von Wien nach Zürich verfügbar. Vorerst entschliesse ich mich also meinen Aufenthalt hier in Timisoara um zwei Tage zu verlängern, dann am Donnerstagmorgen mit dem Zug nach Arad zu fahren und von dort über Nacht mit dem FlixBus nach St. Gallen. Punkt. Auf dem Hof treffe ich den „Hotelmanager“ und ich kann für 200 RON (rund 36 Franken) die zwei Nächte anhängen.

Nun aber auf in die Stadt. Mit Bus M14 lande ich im Zentrum. Wow, diese Cafés und Restaurants. Schnell entscheide ich mich für ein gut gelegenes Restaurant mit Aussicht auf den Domplatz. Bei der Menüwahl vertue ich mich. Im Tagliatelle-Gericht hat es Fisch drin und dieser „fischelt“ mir zu fest sodass ein Teil davon im Teller zurückbleibt. Salat und Bier sehr okay. Danach bleibt mir genügend Zeit gemütlich durch die Strassen zu schlendern und mein erstes Eis auf dieser Reise zu geniessen. Wenn meine Frau dabei wäre, wäre es sicher nicht bei diesem einen geblieben.
Tag 16
Heute bin ich früher dran. Zuerst ein richtiges Morgenessen in der Innenstadt: Kaffee, Burrata, Ei, Tomaten und Rucola, serviert auf einem Croissant. Schmeckt sehr gut und ist mal was anderes. Im Tourismus-Office der Stadt informiert mich eine sehr freundliche und perfekt deutschsprechende Frau, wie ich Tagestickets für den ÖV kaufen kann. Der Hinweis, dass Montag und Dienstag die Museen geschlossen seien, ausser dem „Museum über Revolution“, schränkt meine Unternehmungen etwas ein. Im Weiteren empfiehlt sie mir das „Museum Satului“ zu besuchen.
Vorerst der Abstecher in eine kleine deutsche Buchhandlung. Als Lesestoff für die lange Heimreise kaufe ich mir von Dagmar Dusil „Entblätterte Zeit“. Übrigens, in Timisoara gibt es ein deutsches Theater. Leider beginnt die Spielzeit erst Ende September. Da ich nun im Besitze eines Tagestickets bin, gehe ich auf Sightseeing-Tour mit dem Tram. Zum Mittagessen lande ich wieder in der Nähe des Domplatzes. Eine ältere, freundliche Kellnerin gibt mir Tipps für eine vegetarisches Menu: Tomatensuppe und ein Risotto mit Pilzen. Kommt gut an!

Nun wird es Zeit das heute als einziges geöffnetes Museum zu besuchen, das Museum der Revolution. Eindrücklich wird der Werdegang des Umsturzes aufgezeigt. Dieser hat hier in Timisoara 1989 mit dem ungarischen reformierten Gemeindepfarrer Laszlo Tökes begonnen und endete schlussendlich mit dem Sturz von Nicolae Ceausescu. Hier habe ich immer noch ein Fernsehbild im Kopf wie er und seine Frau an einer Mauer erschossen wurden. Das Museum selbst bräuchte wieder mal eine Auffrischung. Nicht alle Videos funktionieren und die Räume sind mit sehr viel Text ausgestaltet. Im Vorgarten kann ich bei einem kühlenden Wind meinen Gedanken nachhangen.
Irrtümlich besteige ich beim Platz der Freiheit das Tram in falscher Richtung. So komme ich nochmals zu einer verkürzten Stadtrundfahrt.
Tag 17
Gut geschlafen. Es ist ruhig im Haus, draussen regnet es. So muss ich in meinem Rucksack etwas tiefer graben, um etwas wärmeres anzuziehen zu finden und auch die Regenjacke werde ich auf meinen Weg zum Bahnhof mitnehmen. Hier verkauft mir eine freundliche Frau das Ticket für die morgige Bahnfahrt nach Arad (52 km, 1¾ Stunden für 10.50 Lei, knapp 2 Franken). Dann Morgenessen im selben Restaurant wie gestern. Heute ein weiches Ei auf etwas sehr Schmackhaftem, dazu Toastbrot.


Anschliessend möchte ich das „Muzeul Național de Artă“ besuchen (Tipp Tourismus-Office). Doch dieses öffnet erst um 13 Uhr. Planänderung: Muzeum Satului. Mit dem Tram 46M erreiche ich das ausserhalb der Stadt liegende Gelände. Das von einer Stiftung unterhaltene Museum ist eine Art Ballenberg. Ich treffe auf Häuser aus verschiedenen Epochen und diversen Ethnien wie Deutsche, Ungarn, Rumänen, Serben und Ukrainer. Während ich so durch den Park schlendere, fragt mich ein Angestellter, ob er mir ein paar Hintergründe zu den Häusern und der Stiftung erklären dürfe. „Of course, thank you very much.“

Zurück in die Stadt. Zeit für einen Apéro. Gegen Abend zweiter Anlauf für einen Besuch im Kunstmuseum. Dieses hat bis um 21 Uhr geöffnet. Nach der Eingangskontrolle befinde ich mich plötzlich inmitten einer grösseren Besuchergruppe. Ein Angestellter ordnet mich irrtümlich dieser zu und so reihe ich mich ein in eine Gesellschaft der Timişoarer Kunstwelt. Stelle fest, dass hier eine Vernissage stattfindet. Kann mich dann irgendwann befreien und das eigentliche Museum besuchen. Interessante Kunstgegenstände und viele Bilder mit Porträts. Das Ganze etwas düster.
Auch wenn es gegen 21 Uhr geht, ein Restaurant zu finden ist keine Schwierigkeit. Entscheide mich draussen zu sitzen und von der Menükarte wähle ich ein Ratatouille aus. Sehr fein. In angenehmer Lautstärke läuft Blues-Musik. Passt gut zu meiner Stimmung. Die Musik und die Umgebung lassen mir Raum und Zeit um über schöne Begegnungen und Gespräche nachzudenken.
Tag 18
Mein Rucksack ist gepackt. Nichts im Zimmer vergessen. Für die Unterkunft werde ich eine sehr gute Bewertung abgeben können. Zu Fuss geht es zum Bahnhof und ja, der eine Tragriemen am Rucksack hält durch. Hier einen Kaffee to go, drei kleine Croissants choco und für den Hunger unterwegs ein Sandwich.
| Timisoara | ab | 08.28 Uhr |
| Arad (Rumänien) | an ab | 10.43 Uhr 16.30 Uhr |
Pünktlich um 8.25 Uhr verlassen wir den Bahnhof von Timisoara. Sehe, dass auf der Bahnstrecke Timisoara–Arad ein total neues Trassee erstellt wird. Dann wird man für die rund 50 Kilometer sicher nicht mehr zwei Stunden benötigen. Bis zur Fertigstellung wird es wahrscheinlich noch zwei bis drei Jahre dauern. Werde ich dann nochmals nach Rumänien zurückkommen und diese befahren? Wer weiss. Hier in Arad gilt es nun ein paar Stunden die Zeit totzuschlagen. Vorerst gibt es im bistro gara einen Cappuccino (handgemacht aus einem Instant-Beutel). Zum Glück habe ich noch Lesestoff dabei und in der Bahnhofshalle gibt es genügend Sitzgelegenheiten um sich mehr oder weniger bequem nieder zu lassen. Interessant die Umgebung zu beobachten. Rentner treffen sich zu einem Tratsch, eine Frau kann mit Brotkrümeln sogar in diesem geschlossenen Raum eine Taube anlocken. Akribisch sind Putzleute unterwegs um ihre Arbeit zu verrichten.

Irgendwann wird es Zeit für einen Ortswechsel. Schnell, sicher und günstig bringt mich ein freundlicher Taxifahrer zum gewünschten Busbahnhof Tabita. Trotz viel Betrieb finde ich einen bequemen Sitz im Aufenthaltsraum und warte auf meinen Bus 1921 nach St. Gallen. Gestartet ist dieser in Bukarest und sein Ziel wird er schlussendlich in Grenoble erreicht haben. Nachdem Gepäck eingeladen und Ausweise kontrolliert, starten wir leicht verspätet. Momentan sind vier Fahrer im Bus. Sie werden sich abwechseln beim Lenken und gelegentlichem Schlafen auf der hintersten Sitzreihe. Den ersten Pinkelhalt absolvieren wir noch in Rumänien. Für das Nachtessen machen wir für 30 Minuten Halt an der Raststätte Annavölgyi (bereits in Ungarn). Hier herrscht reger Betrieb, vor allem bei den Toiletten. Mit der Klimatisierung haben die Herren Fahrer etwas Probleme. Hin und wieder ist es zu kalt und wir müssen reklamieren. Während der Nacht ist es dann mal wieder sehr warm, aber niemand wagt dies zu beanstanden, da befürchtet werden muss, dass sich dann wieder frostige Zeiten einstellen werden.
Tag 19
Die Nacht zieht sich hin und die Sitze werden auch nicht weicher und bequemer. Zwischendurch Halt in St. Pölten, Linz und Innsbruck. Pünktlich erreichen wir St. Gallen. Zuerst Toilette, dann ein kleiner Zmorgä im Migros-Restaurant des Bahnhofs. Mit dem RegioExpress geht es rasant über Konstanz nach Lengwil und von hier mit dem Postauto nach Hause. Schön, wieder hier zu sein.
| St. Gallen | an ab | 08.15 Uhr 09.15 Uhr |
| Lengwil | an ab | 10.05 Uhr 10.14 Uhr |
| Illighausen | an | 10.23 Uhr |
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