Schweiz, Unterwegs, Wanderungen
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Zwischen Einsiedelei und Massentourismus.

April 2024 – Nachdem der Mann und ich die ganze Woche davon geredet haben, entscheiden wir uns sehr kurzfristig dafür, am Wochenende mal wieder den grösseren Rucksack zu packen und zwei Tage zu wandern. Das Restaurant wird am Freitagmorgen gebucht, das Hotel am Samstagmorgen. In gewissen Regionen ist diese Spontanität tatsächlich noch möglich.

Kurz vor Mittag fahren wir am Samstag in etwas mehr als eineinhalb Stunden mit dem Zug von Zürich nach Düdingen. Der Zug hat Verspätung, aber glücklicherweise haben wir genug Umsteigezeit in Bern. Mittagessen gibts als Picknick unkompliziert im Zug, ein paar Burritos vom gestrigen Nachtessen schmecken auch kalt sehr gut.

 

Wanderung am Samstag: Düdingen–Ottisberg–Magdalena-Einsiedelei–Fribourg
Wir starten bei fast sommerlichen 22 Grad und Sonnenschein am Bahnhof Düdingen und für die meiste Zeit verläuft der Wanderweg nun auf dem parallel geführten Sinn- und Klangweg, welcher momentan 15 Objekte umfasst, die ausprobiert und bespielt werden können. Wir laufen durch Wald, auf Feldwegen und entlang des Ufers vom Schiffenensee.

   

Am Weg liegt die beeindruckende Magdalena-Einsiedelei, welche man von April bis Oktober frei besichtigen kann. Bereits 1448 wurde die Einsiedlerwohnung ein erstes Mal erwähnt, die vielen verschiedenen Räume (Kapelle, Sakristei, Glockenturm, Vorzimmer, Holzschuppen, beheiztem Schlafzimmer, Küche, Speiseraum, Heizraum, Treppen, Atelier, Klause, Keller und Terrasse) auf 120 Meter Länge existieren aber erst seit cirka 1700. Der Sandsteinboden ist über 20 Millionen Jahre alt, entstanden als fossile Sanddünen in einem tertiären Meer.

    

Wir gehen direkt unter den Zügen über das Grandfey-Viadukt, die Eisenbahnbrücke, welche den schmalen Schiffenensee überquert und zu einer der grössten Brücken der Schweiz gehört. Die Höhe ist sicher nicht jedermanns Sache, mir gefällt das kleine Abenteuer mit toller Aussicht aber sehr. Via Altstadt laufen wir mit Blick auf die Saane und die beeindruckende Autobahnbrücke nach Fribourg hinein. Mittlerweile ist es 17 Uhr und praktisch alle Geschäfte (ja, auch die grossen) haben bereits geschlossen. Hier gibt es tatsächlich noch Samstagsöffnungszeiten, welche sich von jenen der Werktage unterscheiden. Wir gönnen uns in einer Bar auf der Terrasse also direkt ein Kaltgetränk, bevor es zum Duschen und Umziehen ins Hotel geht.

Insgesamt laufen wir rund 3 Stunden und bringen 13 Kilometer sowie 300 Meter hoch und 280 runter hinter uns. Die Wanderung ist nicht sehr fordernd, jedoch abwechslungsreich und mit Aussicht. Für den Hochsommer ist sie eher nichts, da doch ein nicht zu verachtender Teil auf Asphalt und ohne Schatten verläuft.

Übernachtung
Hauptsache verfügbar, zentral gelegen und nicht unnötig teuer. Mehr Anforderungen hatten wir an das Doppelzimmer für eine Nacht nicht und so wurde es das Hotel Alpha an der Rue de Simplon 13 in Fribourg für 140 Franken (ohne Frühstück), an welchem es absolut nichts auszusetzen gab.

Abendessen
Da in unseren Rucksäcken natürlich kein Platz für Abendgarderobe war, sollte es ein unkompliziertes Restaurant für das Nachtessen sein. Dieses fand sich aufgrund des Tipps meiner Freundin Barbara (merci!) in Gestalt der Brasserie Le Boulevard 39 am Boulevard de Pérolles 39. Gut besucht, glückliche Menschen, freundliches und aufmerksames Personal und bodenständiges, gutes Essen (Burger für mich, Entrecôte mit grossartiger Café-de-Paris-Sauce –  welche auch hervorragend zu meinen Pommes passte – für den Mann). Die sehr gute Fleischqualität erklärt sich dadurch, dass des Chefs Vater in der Altstadt eine Metzgerei führt.

Wanderung am Sonntag: Pont de Corbières–Botterens–Broc Village
Am Bahnhof decken wir uns mit Kaffee und Gipfeli sowie Picknick fürs Mittagessen ein, bevor wir um 8.38 Uhr den Bus nach Pont de Corbières nehmen. Wir sind für einen Sonntag wohl früh dran, sodass verfügbare Plätze kein Problem sind. Nach knapp 40 Minuten bei der Brücke angekommen, laufen wir bei angenehmen 14 Grad und Sonnenschein los. Im Laufe des Tages steigt das Thermometer auf 23 Grad. Der Weg verläuft nicht direkt am See, das Terrain ist ziemlich hügelig (am Bahnhof Broc Village kommen wir denn auch mit 360 Metern hoch und 250 runter an) und die Bäume versperren einem leider oft die freie Sicht. Aber auch so sehen wir, dass der Wasserstand des Greyerzersees ziemlich tief ist und je weiter wir kommen, desto weniger Wasser wird es. Zum Schluss ist der See nur noch eine Schlammschicht, aber der tolle Blick auf die Freiburger Berge lenkt uns davon ein wenig ab. Meine nachfolgende Recherche ergibt, dass der See im Moment abgesenkt ist, damit er später das Wasser aus der Schneeschmelze aufnehmen kann.

 

In Broc kann man an sieben Tage die Woche das Maison Cailler besuchen und auch am heutigen Sonntag ist der Parkplatz gut gefüllt. Uns kann man mit einer Schokoladenfabrik nicht in Versuchung führen, anders sähe es wohl bei einem Weingut aus. Und wen es mehr zu Käse zieht: das Maison de Gruyère gibt es nur ein paar Kilometer entfernt natürlich auch noch.

Heute sind wir mit zweieinhalb Stunden und 9 Kilometern eher kurz unterwegs, verlängern liesse sich die Wanderung indem man auf der anderen Seeseite zurück nach Corbières laufen würde. Wir fahren nun jedoch mit dem Bus nach Gruyère Ville und machen da noch einen kurzen Abstecher ins Schloss Greyerz. Wir haben nicht mehr so viel Zeit und die Schlossbesichtigung fällt entsprechend kurz aus. Etwas mehr darüber zu erfahren – allenfalls verbunden mit einer Führung – lohnt sich aber sicher. Auch noch besuchen kann man nur ein paar Fussschritte entfernt das HR Giger Museum. Ausgestellt ist hier ein Teil der surrealistischen Werke des Schweizer Künstlers und Filmemachers.

   

Der Ort ist sehr hübsch, aber auch sehr touristisch, wie sich am heutigen Sonntag anhand der vielen Glacé schleckenden und Fondue essenden Menschen zeigt. Auf einem Bänkli vor dem Schloss verpflegen wir uns aus dem Rucksack und checken dabei unsere Rückreise-Möglichkeiten. Zwei Züge von Genf her fallen aus und die Heimreise verläuft somit etwas umständlicher und länger als geplant: mit einer halben Stunde Aufenthalt in Fribourg, über eine andere Strecke und öfters umsteigen. Um 17 Uhr sind wir dann aber nach insgesamt dreieinviertel Stunden Reise wieder zurück in Zürich und wissen, warum wir auch diese Nacht gut schlafen werden: es gibt kein besseres Schlafmittel als die wohlige Erschöpfung nach einer Wanderung.

1 Kommentare

  1. esther sagt

    Da möchte ich gleich loslaufen. Ein interessanter Bericht.
    Gut, das mit der hohen Brücke wäre nichts für mich. 🙂

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